Wer rauf geht muss auch wieder runter kommen...Neben dem Absteigen bzw. Abklettern gibt es zwei seiltechnische Methoden dies zu bewerkstelligen

Generell passieren beim Abseilen relativ viele Unfälle, wenn man die Wahl hat, sollte man lieber zu Fuß absteigen, ansonsten wirklich gut aufpassen

Abseilen an der Ruchenkopf Südwand
Abseilen an der Ruchenkopf Südwand

Abseilen oder Ablassen - Begrifflichkeiten

Zur Unterscheidung: Ablassen meint den passiven Vorgang (aus Sicht des Abwärtsfahrenden), jemand läßt mich ab, ich lasse Jemanden ab.
Abseilen tue ich mich selbst - ich seile mich ab. Teilweise wird das Wort Abseilen in Österreich auch für Ablassen verwendet (ich seile dich ab).

Wie funktionierts?

Abseilen: Das Seil ist durch den Abseilstand gefädelt. In der Regel seilt man am Doppelseil ab, d.h. die Mitte eines Seiles (oder zweier verbundener Seile) befindet sich im Abseilstand, beide Enden hängen unten. Dann hängt man das Abseilgerät ein, gleitet am Seil nach unten, zieht das Seil ab - und fertig. Hört sich einfach an, in der Praxis gibts dann doch mehr zu tun. Leider passieren beim Abseilen immer wieder Unfälle, man kann aber durch Sicherheitsmaßnahmen die Sicherheit deutlich erhöhen und sollte das Abseilen nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Die Details zum Abseilvorgang findet ihr unten.

Ablassen: Das Seil läuft durch eine Bremsvorrichtung (i.d.R HMS) die am Stand (oder am Partner bei Einseillängen) fixiert ist. Der Abzulassende hängt am Ende des Seiles (eingebunden oder durch geeigneten Karabiner) und der Partner lässt das freie Seil kontrolliert in die Bremsvorrichtung einlaufen.
Diese Methode kennt man vom Sportklettern, wenn der Kletterer oben angekommen ist, hängt oder fädelt ( Umbauen) er das Seil in die Umlenkung und wird vom Partner abgelassen.
Im Gegensatz zur Einseillänge steht der Partner bei der Mehrseillängentour am Stand statt am Boden uund läßt den anderen Partner von oben nach unten ab. Dabei hängt die Bremsvorrichtung natürlich nicht am Hüftgurt des Ablassenden sondern am Stand.

Wichtig beim Ablassen ist dass das Seil kontrolliert eingelassen wird. Entweder läßt man es langsam durch beide Hände laufen oder gibt es Hand über Hand ein. Dies besonders wenn as Seil krangelt oder die Bremswirkung gering ist.
Des Weiteren soll das Ablassen in Abstimmung mit dem abzulassenden Partner erfolgen. D.h. das Seil wird erst gestrafft (Kommando "zu" vom Abzulassenden) bevor der Ablassvorgang begint (Kommando "ab" vom Abzulassenden). Wenn der Abzulassende wenig erfahren ist, werden die Kommandos entsprechend vom Ablassenden im erklärenden Sinne an den Abzulassenden gegeben ("bist du bereit?").

Beim Ablassen läuft das Seil unter Last durch die Umlenkung, daher muss die Umlenkung ein Karabiner, Ring, Haken o.Ä. aus Metall sein. KEIN Textiles Material (Schlinge, Schnur usw.)!

Wann Ablassen oder Abseilen?

Häufig ist es vorteilhaft den ersten Partner abzulassen bevor die weiteren Teilnehmer abseilen (oder bis auf den Schlußmann auch abgelassen werden).
Folgende Gründe sprechen für Ablassen:

  • Das Gelände ist so, dass das Seil beim Auswerfen hängenbleiben würde (Schrofen, Latschen, etc)
  • Es ist windig und das Seil würde durch den Wind aus der Fallinie geblasen (Gefahr dass es sich irgendwo festhängt)
  • Der Partner hat wenig/keine Erfahrung mit dem Abseilen.
  • Mittels Ablassen kann die doppelte Strecke zurückgelegt werden

Gründe für Abseilen statt Ablassen:

  • Beim Ablassen wirkt fast die doppelte Kraft auf den Umlenker
  • Wenn der Umlenker Scharfkantig ist (Seilbeschädigung) oder aus textilem Material (Durchschmelzen!) kann er nicht zum Ablassen verwendet werden. Dies ist vor allem bei Einseillängen relevant (Umlenker)

Abseilstand und Seil für das Abseilen vorbereiten

Die Anforderungen an den Abseilstand sind prinzipiell die Gleichen wie an einen Stand beim Mehrseillängenklettern. Ein Unterschied ist, dass der Abseilstand zurückbleibt, man wird also möglichs wenig und günstiges Material verwenden. Meistens reicht ein Stück Reepschnur oder eine Bandschlinge. Ideal sind daher Sanduhren oder Köpfel. Wenn mehrere Fixpunkte verbunden werden sollen wird das Fixierte Kräftedreieck verwendet.

Das Seil wird in den Abseilstand eingelegt. Durch Ablassen des Partners oder durch Auswerfen (Warnruf "Achtung Seil") werden die Enden nach unten gebracht. Die Seilenden werden zuvor mit Knoten versehen, um ein versehentliches Abseilen über die Enden hinaus zu verhinden (Absturzsicherung).

Ist die Abseilstrecke länger als die Hälfte meines Seiles lang ist, verbinde ich (sofern vorhanden) zwei Seile mittels Sackstich (auf ausreichend lange Enden achten, ungefähr Unterarmlänge, 30-50cm!, siehe PDF BuS#123, Link unten).
Damit ich das Seil später abziehen kann, merke ich mir auf welcher Seite sich der Knoten befindet (der Knoten läßt sich ggf. nicht durch den Abseilstand ziehen, daher ziehe ich das Seil ab, auf dessen Seite sich der Knoten befindet). Dies kann ich mir gut merken indem ich den Karabiner meiner Selbstsicherung (dazu später mehr) in den abzuziehenden Seilstrang einhänge.

Wenn der Abseilstand einen Ring aufweist der am Fels anliegt, wird das Felsseitige Seil abgezogen um ein Abklemmen zu verhindern. Wenn zwei Seile verknotet werden, muss also auch der Knoten auf der Felsseite sein.

Es macht Sinn, dass der zweite Abseilende schon sein Tube und seine Hintersicherung einhängt und zum Abseilen fertig ist, dann kann der Erste noch mal checken, ob alles passt. Und das Seil kann nicht durchlaufen bei einseitiger Belastung (das ist aber ein untergeordneter Grund).

Vorgehen beim Abseilen

Das Seil ist in den Abseilstand eingelegt (ein Seil in der Seilmitte, oder zwei Seile verknotet), dabei ist der Abseilende am Abseilstand mit einer Selbstsicherungsschlinge gesichert. Eine Exenkette eignet sich NICHT als Selbstsicherung, da sich leicht mal ein Karabiner aushängen kann.
Die Hintersicherung (Prusikschlinge) wird am Seil um beide Stränge angelegt und am Anseilring des Gurtes (schweizer Methode, siehe unten) oder der Beinschlaufe eingehängt. Dabei ist darauf zu achten dass sie so kurz bemessen ist, dass der Prusik nicht am Abseilgerät anstehen kann, da dann die Funktion außer Kraft gesetzt würde. Nun wird das Seil etwas durch die Hintersicherung gezogen, dann kann man erkennen ob sie auch greift und kann das Abseilgerät leicht in das nun entspannte Seilstück über der Hintersicherung einhängen.
Das Abseilgerät (Achter, Tube etc.) wird in das Seil eingelegt und am Hüftgurt oder in der Mitte der abgeknoteten Bandschlinge (schweizer Methode) eingehängt.
Das Seil wird etwas durch das Abseilgerät und die Hintersicherung gezogen und das Abseilgerät belastet, so dass die Selbstsicherung entlastet ist. Dies dient noch mal als Test des Setups bevor die Selbstsicherung ausgehängt wird.
Nach diser Kontrolle das alles passt, wird die Selbstsicherung ausgehängt und der Abseilvorgang begint. Beide Hände sind dabei unter dem Abseilgerät.
Der Prusikknoten wird beim Abseilen von der unteren Hand kontinuirlich nach unten geschoben, die Hand umfaßt dabei das Seil, nicht den Prusikknoten.
Die Körperposition beim Abseilen: Beine leicht gespreizt, Oberköper etwas nach hinten lehnen. Dann langsam und kontrolliert am Seil hinuntergleiten. Der Blick ist nach unten gerichtet um zu sehen wo es hingeht, keine Steine lostreten und den Zielpunkt wenn möglich im Auge behalten, nicht darüber hinaus abseilen.
Abgeseilt wird in Falllinie um Pendler zu vermeiden. Falls der Zielpunkt außerhalb der Falllinie liegt wird erst am Ende dorthin gependelt, also zuerst auf gleiche Höhe abseilen, dann Pendeln. Am Zielpunkt angekommen baut man den nächsten Stand und sichert sich selbst daran. Dann gibt man das Kommando "Seil frei". Als Hintersicherung für den Partner wird das Seil mit genügend Schlappseil (vor allem wenn der Stand nicht in Falllinie ist!) am Stand fixiert.
Seil abziehen
Sind alle unten, wird das Seil abgezogen. Dazu müssen natürlich die Knoten an den Seilenden entfernt werden. Ein Ende kann gleich durch den nächsten Abseilring gefädelt werden. Anschließend zieht man am richtigen Ende (hat man sich gemerkt, bzw. durch den Karabiner der Selbstsicherungsschlnge markiert) das Seil ab. Verklemmt sich dann das Seil beim abziehen trotzdem irgendwo, muss man wieder rauf :-( Dazu natürlich NICHT am verklemmten Seil hinaufprusiken, sondern "normal gesichert" am anderen Ende oder mit einem anderen Seil wirder hinaufklettern.

Schweizer Methode

Bedeutet dass das Abseilgerät nicht direkt am Gurt sondern in der Mitte einer abgeknoteten Bandschlinge eingehängt wird. Dadurch hängt es höher was das Handling vereinfacht. Die Hintersicherung kann dann direkt in den Anseilring des Hüftgurtes eingehängt werden. Das Ende der Bandschlinge dient gleichzeitig als Selbstsicherung.

Abseilen, Schweizer Methode (rote Bandschlinge mitte)
Abseilen, Schweizer Methode (rote Bandschlinge mitte)

Links

BergUndSteigen: PDF Abseilen (#80)
BergUndSteigen: Seilverbindungsknoten (#123)
Wikipedia: Abseilen
Klettern.de: Abseilen im Gebirge
Petzl: Abseilen
Panorama 4-2020: Sicherheitsforschung Abseilen - Basics
Panorama 5-2020: Sicherheitsforschung Abseilen Teil 2 - Organisation Mehrseillängenabseilen und Gruppen
Panorama 4-2017: So geht das Abseilen

Literatur

Wirklich tiefgehende Behandlung dieses ganzen Themas: Andy Kirkpatrick: Down

Wie immer bei Beiträgen zur Sicherheitsthemen auf dieser Seite gilt: 
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